Diese Website benutzt Cookies, die für den technischen Betrieb der Website erforderlich sind und stets gesetzt werden. Andere Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren und die Zugriffe auf unsere Website zu analysieren, werden nur mit Ihrer Zustimmung gesetzt. Mehr Infos

Cookies verwalten

November 5, 2024

Die Rolle dynamischer Stromtarife für die Energiewende

blog image

Mit dem Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger hat sich Deutschland ehrgeizige Klimaziele gesetzt. Ein wichtiger Baustein ist die gesetzliche Einführung von dynamischen Stromtarifen ab 2025. Sie sollen gewerblichen und privaten Verbrauchern einen finanziellen Anreiz bieten, ihren Strombezug zukünftig flexibler an die Netzbedingungen anzupassen. Was es damit auf sich hat, welche Vorteile dynamische Stromtarife bieten und wie wir unser Energiesystem in Zukunft gestalten müssen, erläutert Dr. Christian Wilke, Projektleiter des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderten Reallabors der Energiewende TransUrban.NRW.

Dr. Christian Wilke, Projektleiter TransUrban.NRW.

Herr Wilke, bei TransUrban.NRW entwickeln Sie unter realen Bedingungen Lösungen für die nachhaltige Transformation der netzgebundenen Wärme- und Kälteversorgung. Welche Rolle spielt dabei die Koordination der verschiedenen Akteure im Energiesystem?

Eine sehr zentrale. Schließlich betrifft die Umstellung auf erneuerbare Energien nicht nur die privaten Haushalte, sondern auch verbrauchsintensive Sektoren wie Industrie, Mobilität und Gewerbe. Während Wärmenetzbetreiber und Stromnetzbetreiber bisher weitgehend unabhängig ihren Aufgaben nachgingen, muss in einem sektorengekoppelten – also elektrifizierten – Energiesystem eine enge Abstimmung zwischen den Betreibern verschiedener Infrastrukturen stattfinden, um die Ausbaukosten möglichst gering zu halten. Für die Energie- und Wärmewende muss das Gesamtsystem aus den verschiedenen Erzeugern und Infrastrukturen betrachtet werden. Die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende hängt also nicht nur davon ab, wie viele Solaranlagen und Windräder wir aufstellen. Entscheidend ist letztlich, wie, wo und wann wir den erneuerbaren Strom nutzen, verteilen und speichern.

Können Sie diesen Zusammenhang genauer erläutern?

Der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung nimmt stetig zu. Das hat Auswirkungen auf unser Stromnetz. In nachfrageschwachen Zeiten, zum Beispiel nachts oder an sonnigen Tagen, steht oft mehr Strom aus erneuerbaren Quellen zur Verfügung, als das Netz aufnehmen kann. Um es zu entlasten, muss dann die Einspeisung aus Erneuerbare-Energien-Anlagen vorübergehend lokal reduziert werden. Dieser Vorgang wird auch als „Redispatch“ bezeichnet. Gleichzeitig kann die Stromnachfrage zu anderen Zeiten stark ansteigen, u.a. durch die zunehmende Nutzung von Wärmepumpen und Elektrofahrzeugen. Das Paradoxe daran: Obwohl die Erzeugungskosten für erneuerbare Energien niedriger sind als für fossile Energieträger, entstehen durch diese Kapazitätsengpässe zusätzliche Kosten. In Zukunft wird es also nicht nur darum gehen, den Netzausbau voranzutreiben, sondern auch Angebot und Nachfrage optimal in Einklang zu bringen und Flexibilitäten aufzubauen, die zu einer Kostensenkung für die Verbraucher führen.

Was bedeutet das konkret für das Verhältnis zwischen Energieversorgern und Verbrauchern?

Ganz einfach: Wir müssen unser zukünftiges Energiesystem so ausrichten, dass der Verbrauch der Erzeugung folgt – und nicht umgekehrt, wie es früher der Fall war. Verbraucher können durch zeitlich flexibles Verhalten nicht nur Kosten sparen, sondern auch aktiv zur Netzstabilität beitragen.

Wie kann man sich das in der Praxis vorstellen?

Um die Zusammenhänge zu verstehen, empfehle ich einen Blick auf die Stromampel-App des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE). Sie zeigt in Echtzeit an, welchen Anteil erneuerbare Energien an der Last im Netz haben. Je höher der Anteil, desto geringer ist der Preis an der Strombörse. Solch eine Information kann Verbrauchern helfen, ihren Strombezug an das Angebot anzupassen. Wer zum Beispiel einen Stromspeicher oder ein Elektroauto besitzt, kann Strom zu Zeiten mit geringer Nachfrage günstig einkaufen und speichern. Manche Verbraucher werden sogar zu „Prosumern“. Das heißt, sie erzeugen, speichern und verkaufen ihren Strom ganz einfach selbst. In anderen Worten: Flexibilität wird zur neuen Währung in der Energieversorgung – für Haushalte, Unternehmen und ganze Städte.

… und hier kommen dynamische Stromtarife ins Spiel?

Genau. Während konventionelle Tarife feste Preise haben, richten sich dynamische Tarife nach dem aktuellen Preis an der Strombörse, der wesentlich vom Anteil der erneuerbaren Energien bestimmt wird. So können Verbraucher von niedrigeren Strompreisen profitieren, etwa wenn die Nachfrage gering ist oder viel erneuerbare Energie zur Verfügung steht.

Welche Vorteile haben diese Tarife für Gebäudeeigentümer und Mieter?

Dynamische Stromtarife sind ein wichtiger Hebel, um netzdienliches Verbrauchsverhalten zu fördern, aber auch um finanziell von der Energiewende zu profitieren. Für Mieter und Eigentümer von Gewerbeimmobilien ist das ein großer Vorteil. Denn in Kombination mit Wärmepumpen und intelligenten Speichersystemen lässt sich so auch der Energiebedarf von verbrauchsintensiven Objekten kosteneffizient decken, beispielsweise im Gewerbebereich. Häufig verfügen diese Objekte außerdem über große Dachflächen, die sich für die Installation von Solaranlagen eignen. Das spart weitere Kosten, denn durch den Eigenverbrauch entfallen Abgaben wie Netzentgelte und Umlagen. Überschüssiger Strom kann zudem ins Netz eingespeist werden und zusätzliche Einnahmen bringen.

In der öffentlichen Diskussion wird häufig auch von „variablen“ oder „zeitvariablen“ Tarifen gesprochen. Was ist der Unterschied zu dynamischen Stromtarifen?

Der wesentliche Unterschied ist, dass zeitvariable Tarife, wie der Name schon sagt, durch vordefinierte Zeitfenster für hohe und niedrige Preise gekennzeichnet sind. Hier gibt es zum Beispiel Tag- und Nachtstromtarife. Dynamische Tarife sind dagegen flexibler und granularer. Sie berücksichtigen Viertelstundenwerte und basieren auf genauen Prognosen über die Verfügbarkeit erneuerbarer Energien.

Welche Voraussetzungen müssen Gebäude erfüllen, um von dynamischen Stromtarifen zu profitieren?

Um dynamische Stromtarife optimal nutzen zu können, braucht es eine entsprechend fortschrittliche technische Infrastruktur. Dabei spielen vor allem Smart Meter eine entscheidende Rolle. Diese intelligenten Messsysteme sind mit einer speziellen Gateway-Anbindung ausgestattet und ermöglichen es, Stromverbrauch- und Erzeugung im Gebäude genau zu erfassen und datenbasiert zu steuern.

Warum ist es wichtig, dass wir uns als Gesellschaft mit dem Thema beschäftigen?

Generell müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass die Kosten für die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien (Wind, Sonne) in Zukunft weiter sinken werden, während die Kosten für den Netzausbau und die Digitalisierung der Netze mindestens auf dem aktuellen Niveau bleiben werden. Unser Modellprojekt TransUrban.NRW zeigt, dass klimaneutrale Wärme- und Kälteversorgungen nur mit Wärmepumpen und großen Wärmespeichern funktionieren werden. Der Wärmepreis hängt somit ganz entscheidend davon ab, zu welchem Preis der Strom für die Wärmepumpen beschafft werden kann.

Dynamische Preismodelle ermöglichen es uns, den Strom für die Wärmeerzeugung dann einzukaufen und zu nutzen, wenn er sehr preisgünstig ist. Um eine bezahlbare Wärme bereitstellen zu können, führt langfristig kein Weg an dynamischen Strompreisen vorbei - ökologisch und ökonomisch. Wenn wir es schaffen, die Wärmeerzeugung an die fluktuierende Grünstromerzeugung zu koppeln, profitieren Verbraucher von sinkenden Energiekosten, gleichzeitig können Emissionen reduziert werden.

Wie stellen Sie sich vor diesem Hintergrund die Zukunft der Energieversorgung im Jahr 2050 vor?

Meine Zukunftsvision ist eine Stromversorgung, die nahezu vollständig auf erneuerbaren Energien basiert. Die Verbraucher werden nicht nur passiv Energie beziehen, sondern sich aktiv in das System einbringen, indem sie ihren Strombezug durch Demand Side Management und dynamische Stromtarife flexibel anpassen und selbst Energie erzeugen und speichern.

Dezentrale Erzeugungsstrukturen werden dabei eine viel größere Rolle spielen. Einen wichtigen Baustein auf diesem Weg sehe ich in lokalen Energiegemeinschaften, sogenannten „Energy Communities“, die Energie bedarfsgerecht untereinander austauschen. Das entlastet die zentrale Netzinfrastruktur und stärkt die Unabhängigkeit auf lokaler Ebene.

Auf europäischer Ebene wird die Versorgungssicherheit durch einen europäischen Energieverbund gewährleistet. Über transeuropäische Netzwerke können sich die Partnerländer bei Engpässen gegenseitig unterstützen. Wird in einer Region zu wenig Strom produziert, können die Nachbarländer einspringen. Das alles ist bis 2050 machbar - wenn wir weiter konsequent in den Ausbau von erneuerbarer Erzeugung, Energiespeichern und intelligenter Netztechnik investieren.

blog image
Gebäude einfach besser machen!

Jetzt Kontakt aufnehmen!

In einem persönlichen Gespräch klären wir Ihre indivduellen Anforderungen und zeigen Ihnen, was wir mit unseren Bundles aus KI-basierten Cloud-Lösungen und Service-Paketen für Sie tun können.

Icon gradient contact

Schreiben Sie uns!

contact@aedifion.com

Icon gradient phone

Jetzt anrufen!

+49 221 98650-770

Icon gradient teamwork

Komm ins #teamaedifion

applications@aedifion.com